Schreiten und Verharren

Hip und Schick – alles läuft bestens, alles ist im flow, ich bin dabei, du bist dabei.

Negativität ist out. In ist

… Fragmente eines Abrisses und was passiert? Die Formulierungen erscheinen mir nicht treffend, ich lösche sie, setze neu an und... bis ich bemerke, dass es nicht um die Schlechtigkeit der Welt geht, es ist nicht die Spaßgesellschaft als solche, die mein Gemüt bewegt. Der Punkt ist … das Gewaber ist...

Ich treffe Niklas und ich liebe seinen Positivismus. Sein Tonfall, seine Bewegungen scheinen ein dauerndes Nach-Vorne-Schauen zu sein. Lust an Klarheit, Freundlichkeit, Naivität, kindliche Sorglosigkeit teilen sich in Tonfall und Gebärde mit. Und die konsequente Suche nach Entscheidungen, Ja zu Neuem. Während er von sich erzählt scheinen wiederholt Schwierigkeiten auf, Traurigkeiten durch. Wie ein kurzes Blitzen, Blinken. Niklas geht nicht weiter auf sie ein. Er greift zu anderem Thema, wie bei einem Kind, nur dass nicht andere ihn ablenken, er ist es selbst, der bei dem Gedanken, der ihn schmerzt, nicht verharrt, sondern voran schreitet.

Ich genieße das. Ich liebe dieses Voranschreiten, dieses Flüchtige, das immer weiter will. Mir ist sympatisch, wie er über die negativen Gedanken und Erinnerungen einfach drüber geht. Vielleicht gefällt mir das, man ist hart im Nehmen. Ich war auch immer hart im Nehmen. Wenn andere längst die Nerven verlieren, denke ich, das geht schon und es geht auch vorbei. Und doch. Und doch begreife ich ihn anders. Er ist nicht so 'hart im Nehmen' wie ich das vielleicht von mir denke oder dachte. Er ist viel verletzlicher. Und ich fürchte, dass das Voranschreiten keine Methode von Dauer ist, dass das Voranschreiten vielleicht auch ein Ausblenden sein könnte und dass diese ausgeblendeten Gedanken- und Erinnerungsblitze ihn einholen könnten, wenn er allein ist und/oder wenn es keine direkt greifbare Ablenkung gibt. Und doch... während ich das noch fürchte und mich selbst einen Moment lang überlegen und weise fühle, denke ich wiederum. Nein, ja, vielleicht, das mag sein. Leicht hat er es sicher nicht. Aber wer hat es schon leicht? Und ja, ich werde gerne da sein, in beiden Momenten, wenn er voranschreitet und wenn er für einen Moment verharrt, weil das Voranschreiten unmöglich erscheint.

Und da sehe ich mich auf mich selbst zurück geworfen. Meine Unmöglikeit des Voranschreitens im letzten halben Jahr. Ein wiederholtes Schreiten und vermeintlich auch voran, aber... wiederholt muss ich verharren und bin mir über die Richtung des Voran nicht ganz im Klaren, ich bin nicht entschlossen genug, die eine Richtung konsequent zu beschreiten. Ich... verbleibe in Gedanken.

Sue Bringer, Vienna 12/2011